Die Münchner Rap-Gruppe Blumentopf über mutige Möchtegernrapper

Das Gespräch führte Theo Starck
Blumentopf auf dem Rheinkultur-Festival 2011
(Foto: Erschaffung at German Wikipedia, Blumentopf rheinkultur2011 (cropped), CC BY-SA 3.0 DE)

„Der CD-Player lief noch, ich hörte es deutlich, ‚how deep is your love‘, es war‘n 6 Meter 90.“ Zeilen wie diese machten Blumentopf berühmt. Dieses Jahr feiern sie ihr zwanzigjähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass haben sie beschlossen, ihre ersten beiden Alben Kein Zufall (1997) und Großes Kino (1999) auf einer Deutschlandtour wiederzubeleben. Philtrat traf sich mit den Mcs Schu, holunder, Cajus, Sepalot und Roger und nutzte die Gelegenheit für einen Rückblick auf die Karriere der Band und die Geschichte des Rap in Deutschland.

Ihr seid nun schon seit zwanzig Jahren eine etablierte Größe im deutschen Rap-Geschäft. Denkt ihr manchmal nostalgisch an die alten Kopfnicker- Zeiten von Kein Zufall und Großes Kino zurück?

Schu: Natürlich, diese Nostalgie zelebrieren wir ja gerade auf unserer 20-Jahre-Jubiläumstour. Wobei wir sagen müssen, dass wir seit 20 Jahren eine Band und nicht eine fest etablierte Größe sind. Am Anfang haben wir noch viel in Jugendzentren usw. gespielt und gerade diese Zeit war natürlich sehr prägend für uns. Diese Tour ist als eine Retrospektive zu eben dieser Zeit gedacht.

Warum habt ihr hier in München gerade das Muffatcafé als Location für einen solchen Rückblick ausgewählt?

Cajus: Muffatcafé ist Kult. Früher waren wir hier fast jeden Donnerstag bei der Hip-Hop- Veranstaltung Let the Rhythm. Deshalb ist das hier auf jeden Fall ein geschichtsträchtiger Ort für uns. Genau wie die Glockenbachwerkstatt, wo wir unseren ersten Auftritt in München hatten.

Sepalot: Auf der ganzen Tour rappen wir tendenziell in Locations, in denen wir schon aufgetreten sind oder wären, alle ziemlich klein wie eben das Muffatcafé. Wir wollten es genauso intim haben, wie es auch damals war.

Wie war denn zu dieser Zeit das Hip-Hop-Klima in Deutschland, wenn man es mit heute vergleicht?

Schu: Es war halt alles viel überschaubarer. Damals war das Hip-Hop Deutschland noch so klein, dass sich untereinander jeder gekannt hat. Natürlich hat sich deshalb nicht auch jeder gemocht und es war sicher nicht eine große Familie, aber trotzdem hörten wir jede Maxi, die gerade neu rauskam. Heute ist alles weitaus breiter gefächert und für jeden ist etwas dabei, allein schon durch das Internet.

Ist das Niveau denn im Vergleich zu damals gestiegen?

Sepalot: Ich glaube, es ist einfach etwas Anderes. Damals wie heute haben manche Sachen Niveau gehabt und andere wieder nicht. Es gibt heute klarer auszumachende Strömungen, weil es eben so groß ist. Gerade jetzt merkt man, dass es so eine Art Generationswechsel gibt, und von einer solchen Verjüngung lebt eine Musikrichtung natürlich auch.

Cajus: Ich würde aber schon sagen, dass sich deutscher Rap im Laufe der Jahre weiterentwickelt hat, und zwar sowohl vom Raptechnischen, als auch von der Produktion her. Früher hattest du einfach ein paar Drums, hast einen Sample dazu laufen lassen und hast einen Text dazu geschrieben und schon war der Song fertig. Heute ist das alles viel ausgetüftelter.

Sepalot: Aber das macht es ja auch nicht unbedingt besser.

Schu: Es sind einfach die technischen Fähigkeiten, die sich weiter entwickelt haben, so muss man es glaube ich sagen. Es gab damals einfach noch nicht so viele deutschsprachige Vorbilder, heute kannst du dir einen Kool Savas oder einen Samy Deluxe anhören. Die Messlatte, bis man sagen kann, ich hab‘s drauf, ist viel weiter oben.

Hattet ihr während dieser ganzen Zeit eigentlich mal Beef mit jemandem?

Schu: (Lacht) Also wir wurden des Öfteren mal gedisst, aber wir haben eigentlich nie darauf geantwortet. Zwei, drei Mal hatten wir Situationen in unserer Karriere, wo jemand auf die Bühne kam und meinte ‚jetzt lass ich die mal stehn und zeig denen wie es geht‘ und da haben wir die einfach jedes Mal so unglaublich lustig im Freestyle fertiggemacht, dass die sogar in ihrer eigenen Stadt von ihren eigenen Leuten ausgebuht und ausgelacht wurden. Das waren dann schon geile Momente.

Vor einigen Wochen war ich bei Rap am Mittwoch, einer Cypher in Berlin.

Holunder, der sich bis dahin am Nebentisch unterhalten hat, wird bei dem Namen Rap am Mittwoch hellhörig und setzt sich zu uns.

Holunder: Rap am Mittwoch, Hammer!

Seid ihr hier in München auch zu solchen Veranstaltungen gegangen?

Cajus: Wir haben unsere eigene Cypher gemacht, komischerweise genau am Mittwoch. Das war im Jugendzentrum draußen in Unterschleißheim. Da sind wir an die Plattenspieler ran, haben irgendwelche Instrumentals aufgelegt und haben drei Stunden, vier Stunden, fünf Stunden gefreestyled. Im Endeffekt ist Blumentopf so geboren worden, aus einer Mittwoch-Cypher heraus.

Holunder: Zu dieser Zeit war es noch absolut üblich, dass du auf einem Hip-Hop-Konzert eine Freestyle-Session hattest, wo auch Leute aus dem Publikum auf die Bühne durften. Das war völlig normal und eben Teil des Programms.

Eure ersten beiden Alben waren ja noch relativ old-school, es gab einen simplen Beat…

Sepalot: Dagegen wehr ich mich ganz ehrlich gesagt, das nervt mich. Ich meine, man muss das auch immer aus der Zeit heraus betrachten und man wird dem nicht gerecht, wenn man das immer so runter redet. Sowohl textlich als auch musikalisch. Es war nicht so, dass ich einen Loop genommen habe und leg dann einen anderen oben drüber. Natürlich ist man als Neuling mit einer ganz gesunden Naivität an die Sache herangegangen. Aber der kreative Impuls, der gerade in den ersten beiden Alben steckt, ist immens!

Vor zwei Jahren habt ihr eine Freestyle-Tour durch Deutschland gestartet. Nicht viele der bekannten Rapper trauen sich so etwas noch zu. Woran liegt das?

Schu: Viele definieren sich einfach nicht darüber, denen ist Freestyle nicht so wichtig und es hat deswegen keine Relevanz für sie. Das ist bei uns anders, ob es nun in einer normalen Show ist oder sogar in einer ganzen Tour. Wir freestylen ja schon von Anfang an und es ist einfach ein unglaublich spaßiger Teil von diesem ganzen Rap-Ding, der uns immer wieder aufs Neue kickt. Die Tour war für uns eine Herausforderung, die wir schon lange unbedingt mal machen wollten. Es ist eine krasse Nummer zu sagen: Okay, wir stellen uns jetzt mal zwei Stunden auf die Bühne und es kann passieren, was eben passiert. Das muss zwar jeder für sich entscheiden, aber es stimmt schon, es gibt heute nur noch ziemlich wenige Freestyler in Deutschland. Früher war das anders. Da musste man improvisieren können, wenn man Rapper war. Freestylen war übrigens komischerweise immer so ein Münchner Ding.

Glaubt ihr, dass Hip-Hop es im etwas biederen München schwerer hat als im Rest der Republik?

Cajus: Nö, das glaube ich eigentlich nicht. Wenn du guten Sound machst, egal ob Rap oder sonst was, dann wirst du dich damit auch durchsetzten können und deine Hörerschaft finden. Wie groß die dann wachsen kann, ist die andere Frage, da gehört eben auch etwas Glück dazu. Aber das ist meiner Meinung nach nicht lokal abhängig. Hip-Hop ist so eine universelle Sprache geworden, dass es die Leute über alle Schichten hinweg begeistert. Ein großer Vorteil ist natürlich noch, dass du so wenig brauchst um einen Song zu machen. Mit einem aufgenommenen Beat und zwei drei Freunden kannst du locker an der Straßenecke mit Rap anfangen. Das ist wegen dem Equipment bei vielen anderen Musikrichtungen anders. Ein Schlagzeuger braucht nun mal sein Schlagzeug. In München ist es jedoch nicht so leicht, einen Platz zu finden, an dem man sich treffen kann und etwas auf die Beine stellt. Solche Plattformen gibt es in München auf jeden Fall weniger, als in anderen liberaleren Städten.

Wird der Topf in zwanzig Jahren auch noch auf der Bühne stehen?

Sepalot: Das hättest du uns vor zwanzig Jahren auch fragen können und wir hätten wahrscheinlich gesagt: ‚Auf keinem Fall spielen wir dann noch Konzerte‘. Damit sind wir ganz gut gefahren, vielleicht sollten wir das wieder behaupten.

Wollt ihr den Münchner Studenten zum Abschluss noch etwas mit an die Hand geben, quasi einen Ratschlag in hohen Hip-Hop Jahren?

Schu: (Lacht) … so im 96ten Hip-Hop Semester?

Cajus: Also ich war mal für zwei Semester an der TU eingeschrieben und kann euch nur sagen: Kauft nicht immer die billigste Mensamarke, da ist das Essen manchmal echt beschissen.

Holunder: (Lacht) Da bist du aber nicht mehr ganz so up to date mit den Mensamarken. Heute gibt es Magnetstreifen und Chipkarten und so was. Kauft also keine billigen Mensamarken, da kriegt ihr gar nichts mehr für!

Das Interview erschien erstmals im Magazin philtrat.

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