Ingrid Scheurmann über Denkmale im 21. Jahrhundert, grenzüberschreitende Projekte und die unbequemen Seiten unseres kulturellen Erbes

Das Gespräch führte Theo Starck
Foto: Christopher Ison/English Heritage
Prof. Ingrid Scheuermann
Prof. Ingrid Scheuermann
(Foto: K. Scheuermann)

Gestern noch hat Ingrid Scheurmann an der Berliner Humboldt-Universität ihr neues Buch „Konturen und Konjunkturen der Denkmalpflege“ vorgestellt. Einer der Kommentatoren beschrieb das 500 Seiten starke Werk als Scheurmanns „Opus Magnum“, ein anderer als ihr „Lebenswerk“. Zumindest an Ersterem sei schon etwas dran, sagt Scheurmann selbst. Heute hat sich der Trubel etwas gelegt und wir haben Gelegenheit, in Ruhe mit ihr zu sprechen. Treffpunkt ist die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, ein schönes, natürlich denkmalgeschütztes Haus auf der Berliner Museumsinsel. An der Wand ihres Büros zwei Fotos; eines zeigt den Theoretiker der Moderne Walter Benjamin, das andere den berühmten Kunsthistoriker Georg Dehio. 

Frau Scheurmann, eine etwas ketzerische Frage gleich zu Beginn: Warum sind Güter unserer Kultur überhaupt erhaltenswert?

Ich glaube, wir alle definieren uns zu einem nicht unwesentlichen Teil über unsere Geschichte: wie wir miteinander kommunizieren, welche Werte wir vertreten, welche Identität wir haben. Wir können nicht leugnen, dass wir in einer Tradition stehen und durch diese kulturellen Traditionen mehr oder weniger stark geprägt sind. Wir leben nicht nur im Hier und Jetzt, sondern immer auch in größeren Zusammenhängen – wir sind historische und kulturelle Wesen. Dabei sind viele historische Objekte und Stätten, an denen wir uns orientieren, nicht nur historisch bedeutsam, sondern auch ästhetisch ansprechend.

Beinhaltet kulturelles Erbe denn nur schöne Dinge?

Das ist mitnichten der Fall, aber wenn von kulturellem Erbe und Denkmalen die Rede ist, erwarten die meisten Menschen etwas Schönes; viele identifizieren das Alte mit dem Schönen und Guten. Wenn wir auf unsere Geschichte zurückschauen, können wir – nicht zuletzt im Bereich der Architekturgeschichte – auf viele positive Leistungen verweisen. Aber der Denkmalbegriff impliziert auch die unbequemen Seiten unserer Geschichte. Es gab nicht nur Erfolge.

Haben Sie ein Beispiel für diese unbequemen Seiten?

Das betrifft natürlich vor allem die Zeit des Nationalsozialismus, aber auch Teile des Erbes der DDR. Doch selbst herausragende Bauten der Klassischen Moderne und der Nachkriegszeit galten noch in den 1990er Jahren keineswegs selbstverständlich als Denkmale. Daran sieht man, dass sich das Verständnis von kulturellem Erbe immer wieder verändert. Wenn ich mit Studierenden über den Denkmalwert von ehemaligen KZ-Arealen spreche, sagen sie: „Das sind wichtige Erinnerungsorte, über deren Denkmalqualität brauchen wir nicht zu diskutieren.“ Bei der älteren Generation ist das meist anders.

Wie erklären Sie sich diese unterschiedliche Sichtweise?

Ich denke, dass Generations- und Erfahrungsunterschiede dabei eine große Rolle spielen. In meiner Arbeit habe ich mich oft gefragt: Welche Zeitschichten werden in der Rezeption vernachlässigt? Was gilt wann als wichtig und warum? Bei welchen Dingen neigt man dazu, sie entgegen der historischen Evidenz für unwichtig zu erklären? Und wieso? Dazu gehören auch transnationale Aspekte, die heute eine wichtige Rolle spielen.

Sie spielen auf das Europäische Kulturerbejahr an, zu dem die EU-Kommission das Jahr 2018 erklärt hat?

Ja, unter anderem. Die Betonung des transnationalen Erbes in diesem Kulturjahr finde ich sehr richtig. Man sollte dabei aber nicht vergessen, dass dieses Denken keineswegs neu ist. Ende des 19. Jahrhunderts spielten internationale Kontakte und Übereinkünfte in unserem Fach ebenfalls eine große Rolle. Die berühmten Gründerväter der Denkmalpflege etwa waren international stark vernetzt – und das nicht nur innerhalb Westeuropas, sondern darüber hinaus. Dieser fachliche Austausch wurde durch die großen Brüche im 20. Jahrhundert, den Ersten und Zweiten Weltkrieg, abrupt beendet, und danach haben wir lange Zeit nur auf unser nationales kulturelles Erbe geschaut. Das war auch noch im Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 der Fall, in dem jeweils das „eigene“ Architekturerbe im Vordergrund stand. Erst jetzt beginnt sich das zu ändern.

Lässt sich von einem zu engen Kanon sprechen, der den Blick etwas einschränkt? Ich denke etwa an eine Graffiti-Wand aus den 1970er-Jahren, die als Denkmal kaum Beachtung findet.

Das sehe ich nicht so. Diese Haltung hat weniger mit Kanon als mit Geschichtsbildern zu tun. Spätestens seit den 1960er-Jahren haben wir es mit einer Erweiterung des Denkmalbegriffs zu tun. Das heißt, dass wir nicht nur große Monumente erhalten, sondern auch Industrieanlagen, Wohngebäude, Gärten und Parks und seit den 1990er-Jahren eben auch unbequeme Stätten der Geschichte. Dadurch ändert sich unser Verständnis von Denkmalen. Heute sprechen wir eher von kulturellem Erbe oder Cultural Heritage – wozu auch immaterielles Erbe oder kulturelle Praxis gehört. Auch das ist im Übrigen Ergebnis transnationaler Angleichungsprozesse.

Wenn sich der Begriff also weitet, könnte umgekehrt nicht die Gefahr bestehen, dass er inflationär gebraucht wird? Könnten länderspezifische kulturelle Traditionen wie das Pizza-Backen am Ende nicht auch als kulturelles Erbe gelten?

Das tut es schon! (lacht) Schauen Sie mal auf die Liste des immateriellen Erbes. Ich persönlich finde das grenzwertig, weil man sich fragen muss, ob alle lokalen Besonderheiten automatisch schützenswert sind. Ich finde, Pizza sollte man essen und genießen. Als Kulturerbe schützen muss man sie nicht. Was sich aber an diesem Beispiel zeigt, ist, dass die Menschen den rasanten Veränderungen und Angleichungsprozessen etwas entgegenzusetzen suchen, dass sie fürchten, lokale Besonderheiten zu verlieren.

Spiegelt sich diese Ausweitung des Begriffs auch in der Praxis wider? In den Institutionen, die das kulturelle Erbe erhalten?

Ja und nein. Auf der einen Seite haben wir die staatliche Denkmalpflege mit jeweils etwas unterschiedlichen Strukturen und Gesetzesgrundlagen in den verschiedenen Bundesländern. Daneben gibt es aber eine zunehmende Zahl von Initiativen, die ganz spezifische Erinnerungsbedürfnisse vertreten und sich für den Erhalt von Orten und Gebäuden einsetzen, die nicht unbedingt von allgemeinem Interesse, aber für eine bestimmte Gruppe wichtig sind. In der Diskussion über den Stellenwert solcher partikularer Erinnerungen befinden wir uns gerade. Damit steht auch die Frage nach der Deutungshoheit auf dem Prüfstand: Es ist nicht mehr allein wichtig, ob Experten etwas zu einem Denkmal erklärt haben oder nicht. Vielen ist der persönliche Bezug wichtiger. Dadurch bringen sich vielfältige neue Akteure in die Debatte ein, und ich glaube, damit ändert sich das gesellschaftliche Nachdenken.

Sind genau an diesem Punkt Stiftungen nicht ganz zentrale Akteure? Schließlich haben sie die Freiheit, solche partikularen Interessen zu unterstützen.

Ja, das sehe ich genauso. Es kommt natürlich darauf an, wie eine Stiftung konzipiert ist. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz etwa arbeitet grundsätzlich mit den Denkmalämtern als den zuständigen Fachbehörden zusammen, und das ist auch sinnvoll. Sie orientiert sich damit quasi automatisch an dem gesetzlich fixierten Denkmalbegriff. Man kann sich aber durchaus auch Stiftungskonstruktionen vorstellen, die offener sind und eine größere Bandbreite von Objekten unterstützen können. Beispielsweise kann eine Stiftung ihre Förderung auf das junge Erbe konzentrieren. Denn nach wie vor ist das jüngere kulturelle Erbe besonders stark bedroht. Viele denken, junges Erbe müsse nicht geschützt werden, da davon noch vieles vorhanden ist. Erst später stellt man in der Regel fest, dass das ein Trugschluss war.

Mit jeder Entscheidung für oder gegen den Erhalt kulturellen Erbes als kulturelles Erbe ist immer eine Wertung verbunden. Welche Probleme bringt die Zementierung von Wertvorstellungen mit sich?

Bewertungen sind natürlich nie einfach, denn sie setzen voraus, dass es ein Einvernehmen über diese Werte gibt. Ich glaube, dass dieses Einvernehmen vor 50 Jahren stärker war, als es heute der Fall ist. In den 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre wurden Denkmalschutzgesetze erlassen, die noch auf einem solchen Einvernehmen beruhten. Gleiches gilt für internationale Dokumente wie die „Charta von Venedig“ von 1964, die erste große Nachkriegserklärung über den Umgang mit Denkmalen. Ein komplizierter Begriff wie Authentizität musste darin nicht erläutert werden, weil man davon ausging, dass alle das Gleiche damit meinten. Diese „verbindliche“ Wertebasis ist so nicht mehr vorauszusetzen. Heute gilt es, unterschiedliche Wertsetzungen nicht nur in unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft, sondern auch in den verschiedenen Ländern und Kulturregionen zu berücksichtigen. Die Denkmalpflege muss auch deshalb ihre Wertestandards überprüfen – dies auch mit dem Wissen darum, dass vermeintliche Gewissheiten oft nur von kurzer Dauer sind. Gerade deshalb muss sie Mitsprachestrukturen erweitern und engagierte Bürger in die Entscheidungsprozesse einbeziehen – auch wenn das kompliziert ist.

Gibt es denn Ungleichgewichte bei der Förderung kulturellen Erbes?

Wir sind heute relativ breit aufgestellt und fördern nicht mehr nur Schlösser und Sakralbauten. Wenn man sich allerdings die Summen der Förderung anschaut, geht immer noch viel Geld in die großen Monumente, deren Erhalt auch sehr aufwendig und anspruchsvoll ist. Der Kölner Dom etwa, eines unserer historisch hoch bedeutenden Denkmale, ist eine kontinuierliche Baustelle. Da ist es unvermeidlich, dass sein Erhalt viel Geld kostet. Das heißt aber nicht, dass andere kulturelle Objekte weniger wichtig sind. Es ist eine Besonderheit der deutschen Denkmalpflege, dass sie Denkmale traditionell nicht klassifiziert, so wie das in vielen anderen europäischen Ländern der Fall ist.

Welche Bereiche des kulturellen Erbes werden Ihrer Meinung nach vernachlässigt?

Wir haben heute immer noch Probleme mit der Akzeptanz von Nachkriegsbauten, obwohl es in diesem Bereich wirklich tolle Architektur gibt. In Berlin gibt es ja seit langem eine Diskussion um die Schutzwürdigkeit des Messezentrums ICC. Das ist ein fantastischer Bau, der es sicherlich verdient hätte, unter Denkmalschutz gestellt zu werden. Von solchen Bauten haben wir eine ganze Reihe im Land.

Gibt es nicht auch ganz praktische Gründe, die den Erhalt neuerer Bauten zumindest erschweren?

Sicherlich ist ein Barockschloss langlebiger und oft leichter zu erhalten als ein Nachkriegsbau. In vielen dieser 1960er-Jahre-Bauten wurden neue und experimentelle Materialien ausprobiert, die heute schwer zu bewahren sind und die eine Herausforderung für die Konservierungswissenschaften darstellen. Trotzdem brauchen diese Gebäude Schutz. Hinzu kommt, dass es sich hier um eine transnationale Zeitschicht handelt: Diese Bauten finden wir in Moskau oder Kiew genauso wie in den USA oder Mexiko. Letztendlich ist diese Internationalität etwas, das die jüngeren Generationen nahezu aller Länder verbindet – und das ist doch wirklich ein interessanter Aspekt zum Thema „geteiltes Erbe“.

Ist dieser transnationale Aspekt bereits ausreichend in Förderprojekten von Stiftungen angelegt?

Nein, ich denke nicht. Das kann man sehr gut am Beispiel der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sehen. Wir haben die Konzentration auf „deutsche“ Denkmale in unserem Namen und auch in der Satzung festgelegt. Das ist bei anderen Stiftungen in diesem Bereich ähnlich. Ich glaube aber, dass das Europäische Kulturerbejahr Impulse geben kann, auch über grenzüberschreitende oder binationale Förderungen nachzudenken. Ich halte das für notwendig.

Satzungsänderungen sind ja derzeit eher schwierig. Gibt es denn in der Deutschen Stiftung Denkmalschutz trotzdem Überlegungen, die in diese Richtung gehen?

Ich kann nicht behaupten, dass solche Überlegungen unsere Diskussionen derzeit beherrschen. Aber es gibt durchaus einige länderübergreifende Kooperationen. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir zu viel Geld hätten, das wir hier nicht ausgeben könnten. Es gibt in Deutschland sehr viele Denkmale, die unsere Unterstützung benötigen und die wir keineswegs alle fördern können. Aber das Denken in europäischen Kategorien lenkt den Blick notwendigerweise auch auf andere Denkmale und grenzübergreifende Kulturregionen, die man als kulturelle Austauschregionen fördern könnte und sollte.

Würden Sie sagen, dass der Diskurs um das kulturelle Erbe westlich geprägt ist?

Was das Welterbe betrifft, so ist das sicherlich nach wie vor der Fall. Ich glaube, wir Westeuropäer sollten offener für das Erbe der anderen sein und uns mit eigenen Welterbeanträgen ein wenig zurückhalten. Nach wie vor sind auf dieser Liste Kulturstätten aus Ländern wie Frankreich, Italien oder Deutschland sehr stark vertreten. Dadurch dominiert Westeuropa das Denken des Welterbes. Es wäre gut, auch anderen Weltregionen mehr Aufmerksamkeit zu widmen und deren kulturelle Besonderheiten zu beachten.

Sie haben zu Beginn unseres Gesprächs den Begriff der Identität benutzt. Glauben Sie, dass im Zuge der Flüchtlingsdebatte unserem kulturellen Erbe eine ganz neue Aufgabe zukommt? Kann es vielleicht sogar ein Mittel zur Integration sein?

Das ist möglich, es sollte aber kein einseitiger Prozess sein. Wir sollten uns im Zuge dessen nicht nur mit unserer eigenen Identität und unserer eigenen Kultur beschäftigen, sondern auch mit der Identität der Menschen auseinandersetzen, die aus anderen Weltregionen zu uns kommen. Meines Erachtens geschieht das noch zu wenig. Ich finde es erschreckend, dass wir nach den entsetzlichen Erfahrungen des Dritten Reichs heute über Sammelzentren und dergleichen diskutieren. Menschen, die heute als Flüchtlinge zu uns kommen, haben oft alles verloren, was ihnen etwas bedeutet – ihre Heimat, ihre Kultur, zu der eben auch denkmalgeschützte Bauwerke und Stätten des Welterbes zählen. Darüber müssen wir uns ebenfalls Gedanken machen. Wir brauchen eine Gesprächskultur, die den Menschen, die hier fremd sind, hilft, über ihre Verluste zu sprechen und Zugänge zu unserem Erbe zu finden, die vielleicht ganz anders sind als unsere. Wir brauchen auch Offenheit und Neugier auf das Andere.

Wie könnte so etwas aussehen?

Es ist ein differenzierter Blick auf das Eigene und das Andere notwendig. Ein Beispiel: Ich war vor zwei Wochen auf einer Tagung, auf der Vertreter der Initiative „Berlin Postkolonial“ gesprochen haben. Sie setzen sich mit Orten und Denkmalen in Berlin auseinander, die in unterschiedlicher Art und Weise mit dem kolonialen Erbe verknüpft sind – und auch mit unserer Unkenntnis darüber. So bewahren wir Erinnerungszeichen an Personen der Kolonialgeschichte, die in afrikanischen Ländern mit Massenmord verbunden werden. Hier sind wir gefordert, blinde Flecken in unserer Geschichtswahrnehmung stärker in den Fokus zu nehmen.

Auf der einen Seite sollen Denkmäler erhalten bleiben, auf der anderen sollen sie weiterhin genutzt werden. Besteht zwischen diesen beiden Seiten nicht ein Konflikt?

Das ist immer ein Konflikt gewesen, seit dem frühen 19. Jahrhundert, und es geht der Denkmalpflege seit jeher darum, Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung historischer Objekte deutlich zu machen. Über dieses „Wie“ des Denkmalerhalts hat man um 1900 intensiv debattiert und klare Vorstellungen über den Erhalt der materiellen Denkmalsubstanz entwickelt. Dass Nutzung ein Mittel zum Erhalt der Denkmale ist, gilt seither als Konsens. Ein leerstehendes Gebäude ist schwer zu bewahren; es kostet letztendlich nur viel Geld, und es ist auch kaum jemandem zu vermitteln, dass es der Gesellschaft nicht mehr zur Verfügung steht. Wie das im Einzelfall umgesetzt werden kann, wird immer aufs Neue diskutiert, und man findet unterschiedliche Antworten zu unterschiedlichen Zeiten.

Sie kommen in Ihren Publikationen immer wieder auf Walter Benjamin zu sprechen. Welche Rolle spielt er für Sie und für das kulturelle Erbe allgemein?

Ja, das stimmt. (lacht) Benjamin ist seit langer Zeit mein treuer Begleiter. Für mich persönlich spielt er eine große Rolle, weil ich das Glück hatte, Anfang der 1990er-Jahre zusammen mit meinem Mann den Gedenkort für Walter Benjamin an der spanisch-französischen Grenze zu kuratieren. Als maßgeblicher Denker des 20. Jahrhunderts hat Benjamin sich nicht zuletzt über das „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ geäußert, also über Kunst und Kultur in Zeiten industrieller Machbarkeit nachgedacht, über Original und Kopie, Zugänglichkeit von Kultur und Auswahlprozesse. Seine Überlegungen sind nicht nur für Objekte der bildenden Kunst relevant, sie bereichern auch den Denkmaldiskurs.

Wenn Sie sich eine Richtung wünschen könnten, in die der Diskurs um unser kulturelles Erbe steuern sollte, welche wäre das?

Ich würde mir wünschen, dass wir Denkmalpfleger uns nicht vor gesellschaftlichen Debatten scheuen und dass wir offen für das sich gerade wandelnde Interesse am kulturellen Erbe sind. Außerdem, dass wir uns intensiv über die Bedeutung des Materiellen in Zeiten der Digitalisierung Gedanken machen. Dass wir also nach vorne schauen, nicht nur an Bewährtem festhalten. Denn ich glaube, dass sich die Wahrnehmung und damit auch die Bedeutung von Denkmalen in den nächsten Jahrzehnten stark verändern werden. Menschen verbringen heute schon viele Stunden am Tag im Internet. Denkmale und Ensembles mögen ihnen möglicherweise bald wie seltene Museumsobjekte oder Themenparks erscheinen. Mir stellt sich deshalb die Frage, wie wir unser kulturelles Erbe an die nächsten Generationen vermitteln und wie wir uns dafür schon jetzt positionieren können – für mich gibt es da noch kein Patentrezept. Oh, und natürlich sollten wir den Kölner Dom erhalten!

Über die Gesprächspartnerin Ingrid Scheurmann leitet den Bereich Denkmaltheorie bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und ist Honorarprofessorin für Denkmalpflege an der TU Dortmund. Gerade ist ihr umfangreiches Werk „Konturen und Konjunkturen der Denkmalpflege. Zum Umgang mit baulichen Relikten der Vergangenheit“ erschienen.


Das Interview erschien erstmals im Magazin Stiftungswelt.

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